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14. August 2019 - 14:32 UhrKareem Patel & Rami Abd al-Aziz
Es war ein schöner Tag im August. Die Sonne schien warm und hell, ohne dass sie richtig brannte. Kanada war nicht gerade bekannt für seine ewig langen und heißen Sommer wie weiter südlich des Kontinents oder gar Ägypten, aber es war auszuhalten. Auch wenn Ramis Ursprünge in diesem wunderschönen Land war und er es in seinen 18 Lebensjahren schon etliche Male besucht hatte, so konnte er sich nie an diese brütende Sonne Afrikas gewöhnen. Zu kalt wollt er es auch nicht. Aber so, wie gerade die Sonne schien, das war angenehm. Er hatte sich auf den Weg zum Festland gemacht. Er wollte etwas Bestimmtes abholen, etwas Magisches. Es gab da einen Händler, bei diesem bezog er nun schon zum dritten Mal Utensilien magischer Art und bisher war der junge Hexer sehr zufrieden damit.
Er wohnte etwas oberhalb von Nitinat im Wald, hatte dort ein eigenes Haus bezogen, während seine Eltern in Nanaimo geblieben waren. Eine Reise von guten 6 Stunden. Kanada war ein weitläufiges Land. Er hätte es zwar auch mit seiner Schattenmagie Durchreisen und so wertvolle Zeit sparen können. Aber mit etwas zurückzureisen das materiell aber nicht lebendig war und dazu auch noch magiegeladen, war schwierig, vor allem über eine so lange Strecke.
Also fuhr Rami mit dem Wagen. Früh am Morgen war er los, so dass er am frühen Mittag beim Händler ankam. Die Strecke war ewig lang, also vertrieb er sich die Zeit damit Musik und Podcasts zu hören. Auf halber Strecke legte er eine kurze Pause ein. Sie hatten keine feste Uhrzeit ausgemacht. Dieser Terrence hatte nur gemeint er solle gegen Mittag kommen.
Als er dann um ca. 14:30 Uhr die Auffahrt hinauf fuhr und vor dem Grundstück anhielt war er ein wenig genervt. Was musste dieser Kerl auch so weit außerhalb wohnen?! Wenigstens waren seine Waren gut!
Er griff nach seiner Umhängetasche, stieg aus und schlug missmutig die Tür des dunklen Wagens zu, streckte und reckte sich ausgiebig und schlenderte dann auf das Grundstück zu. Er überwand den Zaun, ohne großes Aufsehen und betrat das eigentliche Gelände. Das Haus war umgeben von einer hohen Hecke, welche das Grundstück fast komplett einrahmte, bis auf die Einfahrt. Die Hände in die Manteltasche gesteckt führten ihn seine auf den Kieselsteinchen knirschenden Schritte Richtung Eingang. Die Anlage war top gepflegt und sah wirklich gut aus, auch wenn es für Ramis Geschmack ein wenig zu protzig war. Aber was wusste er schon, mit seinem kleinen Einfamilienhaus mit Garten?
Sein Kleidungsstil war heute eher dunkel gehalten, mehrere Ketten zierten seinen Hals, alle recht schlicht, allein das Ankh war das auffälligste auch wenn diesem nichts Magisches anhaftete. Sein Blick huschte zu etwas das er nur ihm Augenwinkel wahrnahm, so drehte er auch den Kopf in die Richtung. Im Vorgarten stand ein Mann und arbeitete gerade an etwas. Für einen Moment ließ er den dunklen Blick über den Körper des Mannes gleiten. Sein Oberkörper war frei, kein Wunder bei dem Wetter. Feine Schweißperlen glitzerten auf seinem Rücken und suchten sich ihren Weg hinab. Er folgte einem Tropfen mit den Augen hinab bis er im grauen Bund der Jogginghose verschwand. Ihm waren schon bei den ersten Besuchen die Striemen auf seinem Rücken und die Narben auf seiner Vorderseite aufgefallen. Ebenso das Halsband mit der Öse. Da Terrence ihn nicht vorgestellt hatte wusste er auch nicht wie er ihn ansprechen sollte.
Rami trat vom Kieselweg runter und auf den Älteren zu. Er war um einiges Größer als er selbst. Leise räusperte er sich „Entschuldigen Sie.“, fing er an. Seine Eltern hatten ihm Anstand und Manieren beigebracht. So behandelte er selbst einen augenscheinlichen – oder offensichtlichen? – Sklaven ebenso höflich wie den Chef des Hauses. „Terrence hat etwas für mich. Könnten Sie mir sagen wo ich ihn finde?“, fragte der junge Mann ihn und blieb anderthalb Schritt vor dem anderen stehen. Als dieser sich zu ihm wandte, ließ Rami kurz auch seinen Blick über Brust und Bauch wandern, blieb auch hier an den vereinzelten Narben hängen, bevor er ihm in die hellen Augen blickte. Ein freundliches, offenes Lächeln war in seinem eigenen Gesicht zu sehen, aufrechter Gang, offene Art, die wuscheligen Locken das Gesicht umrahmend. Vielleicht ein wenig jünger geschätzt als er war. Nichts von dem Schwarzhexer zu sehen der er eigentlich war – abgesehen vielleicht vom Kleidungsstil, der sich bei Rami allerdings nahezu täglich änderte.